Manche Fragen weiten meine Pupillen. Wenn es z.B. um mein Stipendium beim Evangelischen Studienwerk e.V. Villigst [Fillikst], einem der zwölf Begabtenförderungswerke in Deutschland, geht. Dann fragen Mitstudierende in der Mensa, wenn sie davon hören:

„Bist du denn besonders begabt?“

„Ah, gehörst du also zu dieser Elite? Wie bist du da rein gekommen?“
„Wie viel kriegst du? Und was macht ihr da so?“

„Muss man denn dafür total fromm sein?“

Ich sitze dann leicht schwitzend in der Hamburger Mensa über Reiskörnchen und Backkäse und klinge ungefähr so:

 

 

„Bist du denn besonders begabt?“

Begabt? Das kann ich nicht sagen. Aber ich bin sehr neugierig. Und meine Neugierde im Studium wird von Villigst unterstützt.  Das Evangelische Studienwerk sucht keine sturen Einserkandidaten, sondern Studierende, die sich für ihr Fach, aber auch Themen jenseits davon begeistern und sich gesellschaftlich einbringen. Es ist keine Karriereschmiede für hochbegabte Tunneldenker, sonst wäre ich dort nie gelandet. Schließlich habe ich erst mit 26 Jahren angefangen, Psychologie zu studieren. Davor habe ich gearbeitet, war im Ausland und habe die Ausbildung zur Tanzpädagogin abgeschlossen und widerspreche damit dem Vorurteil eines geraden, schnellen Karrierewegs als Förderbedingung... aber mein Interesse ist breit, ich mag intensive Diskussionen, vertieftes Lernen und treffe im Evangelischen Studienwerk auf viele flinke, engagierte und offene Studierende.  Begabung meint dort nicht unbedingt fachliche Leistung, sondern mehr im Blick zu haben, als nur sich selbst.

 

„Ah, gehörst du also zu dieser Elite? Wie bist du da rein gekommen?“

Nein.  Ich finde den Begriff schwierig. Im Evangelischen Studienwerk könnte Elite, das nach dem lateinischen electus kommt – ausgewählt, ausgelesen – bedeuten, dass man durch einen Auswahlprozess durch muss. Alles beginnt mit einer schriftlichen Bewerbung: ausführlicher Lebenslauf, ein Erfahrungsbericht, zwei Gutachten (ein fachliches und eines über das gesellschaftliche Engagement). Nach ein paar Wochen hatte ich dann die Einladung zum Vorauswahlgespräch im Briefkasten. Trotz Aufregung war das mehr wie ein spannendes Gespräch:  vor mir saßen zwei Stipendiatinnen, eine Pfarrerin, die die Auswahl in Hamburg leitete und ein Journalist. Alle vier werden oder wurden während ihres Studiums vom Evangelischen Studienwerk unterstützt. Nach einer halben Stunde Gespräch über meine Interessen im Studium, Aktivitäten außerhalb, Bücher und gesellschaftliche Fragen musste ich warten, aber sie kam: die Einladung zur Hauptauswahl.

Hauptauswahl bedeutete zwei Tage Diskussionsrunden, Präsentationen und Gespräche im Haus Villigst. Diese alte, charmante Gelände an der Ruhr dient dem Studienwerk als Hauptsitz. Reichlich erschöpft, aber bereichert bin ich von dort aufgebrochen und war mir sicher, dass es mit dem Stipendium nicht geklappt hat, hatte ich doch so viele andere engagierte und eifrige Studierende kennen gelernt und bei meinem Auswahlgespräch eher stotternd den roten Faden gesucht.

Dann die Überraschung: per Brief wurde mir zum Stipendium gratuliert, das - im Gegensatz zu anderen Begabtenförderungswerken - für das ganze Studium ohne Probezeit gewährt wird. Ich war drin im Villigster Geschehen und kann mir seitdem das Studium anders nicht mehr denken.

 

„Wie viel kriegst du? Und was macht ihr da so?“

Natürlich ist die finanzielle Unterstützung großartig: Das Stipendium gibt es familienabhängig wie BAFöG, nur dass man es nicht zurückzahlen muss. Oben drauf kommen noch 150 Euro Büchergeld im Monat. Das ist phantastisch. Zudem: vor einigen Wochen war ich auf einer wissenschaftlichen Fachtagung, die ich mir selbst nicht hätte leisten können, aber auch nicht missen wollte. Auch hier greift die Unterstützung vom Evangelischen Studienwerk.

Das Geld ist nur ein Teil. Die größte Bereicherung sind die Lernorte, die Villigst schafft: es gibt eine Sommeruni, an der zu verschiedensten Themen fachübergreifend gearbeitet wird. Hier kann ich quer denken, frei fragen, andere hören und kritisch bewegen, was ich mitbekomme aus der bunten Wissenschaftslandschaft. Ich koste in vollen Zügen, was im Psychologie-Bachelor leider dem Zeitdruck zum Opfer fällt: intensives Reflektieren über das eigene Fach und seine Bedeutung. Im Evangelischen Studienwerk geht es aber nie nur um Hirnakrobatik, sondern immer auch um den Bezug. Welche Fragen stellen sich in der Praxis, wie kommt man mit anderen Fachvertretern ins Gespräch, wie bringt man die eigene Position ins Spiel, was gibt es jenseits von Fächergrenzen für gesellschaftliche Herausforderungen und wie sieht die eigene Antwort darauf aus? Für mich steckt hier der Kern vom Villigster Stipendium: es geht um Gestaltung vom Miteinander, im Kleinen wie im Politischen.  Wo treffen meine Neugierde und Fertigkeiten auf gesellschaftlichen Bedarf? Diesen Punkt finden und ausfüllen. Da braucht es jeden! Und jeder braucht das.

Sommeruni ist leider nur einmal im Jahr, aber in jedem größeren Hochschulort gibt es einen Konvent, ein Treffpunkt der Stipendiaten vor Ort. Wir hocken in Cafés und essen, diskutieren und kochen zusammen, stimmen über Sommeruniprogramme ab, gehen ins Museum, grübeln über die Euro-Krise und trösten uns in Bachelor-Durchhängern.... Alle möglichen Fächer werden von uns studiert. Das ist echt stark.  Juristen würde ich sonst nur aus der Ferne sehen.

Neben dem studentischen Austausch gibt es auch noch Beratung im Evangelischen Studienwerk, wenn man will. Grad' stecke ich in einem Mentorenprogramm, in dem es um berufliche Orientierung geht: wo könnte es lang und weiter gehen? Wo zieht es mich hin? Wie sieht die (Arbeits-)Welt außerhalb der Uni aus?

Das Evangelische Studienwerk ist für mich ein vielfarbiges Forum, in dem ich von politischen bis persönlichen Interessen alles ins Spiel und Gespräch bringen kann.

 

„Muss man denn dafür total fromm sein?“

Nein, aber man kann. Ich habe eine weite Glaubenslandschaft von atheistisch über landeskirchlich bis hin zu anderen Konfessionen kennen gelernt und sehe den Reichtum in der Auseinandersetzung. Religiöse Fragestellungen sollten einen jedenfalls nicht gruseln. Die Antworten werden aber weder vorgegeben, noch beim Bewerbungsgespräch abgefragt. Es geht um neugieriges Austauschen, Widersprüche aushalten und ethische Orientierung. Das Studienwerk hat sich 1948 nach dem Versagen der akademischen Schichten im Nationalsozialismus gegründet und will Bildung auf Demokratie, Widerspruchstoleranz, soziale Verantwortung und die Würde des Menschen beziehen.

Im Leitbild liest sich das so (Auszug):  „Unsere komplexe und widerspruchsreiche Gesellschaft braucht engagierte Intellektuelle und Entscheidungsträger, die fachliches, fachübergreifendes und politisches Urteilsvermögen verbinden. Individuelle Bildung und die Bereitschaft, sich mit den modernen gesellschaftlichen Fragestellungen und Wissensentwicklungen ethisch reflektiert auseinander zu setzen, sind dafür eine unverzichtbare Voraussetzung. Das Evangelische Studienwerk fördert junge Menschen, die bereit sind, sich im Geist protestantischer Tradition diesen Zukunftsherausforderungen auf allen gesellschaftlichen Gebieten zu stellen.“

Für mich ist das Stipendium beim Evangelischen Studienwerk die beste Rückendeckung im Studium, die ich mir denken konnte! Traut euch. Alle formalen Bedingungen, Bewerbungsfristen findet ihr auf der Homepage www.evstudienwerk.de  (unter „Stipendium“, dann „Studium“).

Bei Fragen mailt mir gerne: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Anna Bernhardt hat 2003 in Steinatal Abitur gemacht, ist seit 2010 Stipendiatin beim Evangelischen Studienwerk und steckt in den letzten Zügen ihres Psychologie-Studiums (B.Sc.) in Hamburg. Zwischen der Schwalm und Hamburg lagen Arbeits- und Auslandserfahrungen und eine Ausbildung zur Tanzpädagogin auf dem Weg.