… und Augen zu. Herzliche Einladung zur Folge 5 der kleinen musikalischen „Auszeiten“. Warum eigentlich „Augen zu“ beim Musikhören? Eine schnelle Antwort lässt sich an dieser Stelle nicht formulieren. Nur so viel: Bis vor gut 100 Jahren wurde Musik beim Hören immer ausschließlich sehend wahrgenommen. Eine andere Art gab es nicht. Durch den technischen Fortschritt von Schallplatte, CD, Streaming usw. haben wir uns jedoch längst daran gewöhnt, Musik auch von „Konserven“ oder aus der „Cloud“ zu hören, ohne dass wir die Musizierenden dabei sehen.

Doch mischt sich spätestens seit Aufkommen der Musikvideos auch das Auge immer mehr in die Musikwahrnehmung mit ein. Livemitschnitte und bewusste Videoproduktionen zu einem Hit sind selbstverständlich geworden. Oft finde ich das selbst sehr spannend, oft lenkt es mich jedoch auch von der eigentlichen Musik ab. Denn eines gilt aus wissenschaftlicher Sicht: Bilder sind in der Wahrnehmung für uns Menschen stärker als Worte und Klänge, wenn sie mit ihnen vermischt werden. Bilder können die Musik verstärken, sie können aber auch davon ablenken.

Gerne würde ich in dieser  besonderen Hörreihe, die uns eigentlich ein Ablenken von Bildschirmen und Alltagsbildern in der Corona-Zeit ermöglichen und uns in Zeiten von „Hausarrest“ auch neue klangliche Entdeckungen ermöglichen soll, ohne Youtube-Formate nur als Hörbeispiele geben. Leider geht das aber urheberrechtlich nicht.

Ich lade euch heute bewusst ein, Musik auch einmal mit und ohne Augen wahrzunehmen. Probiert bitte aus, die ersten beiden der folgenden Stücke  mit verschlossenen Augen auf euch wirken zu lassen. Die beiden Stücke passen zueinander, obwohl ihre Entstehungen 260 Jahre auseinander liegen. Bereits in dem Eröffnungsstück zu seiner berühmten Sammlung „Das wohltemperierte Klavier“, das „Präludium in C-Dur“, (Dauer: 2:19) verzichtet J. S. Bach auf Konturen und Abschnitte. Vielmehr lässt er die Tonfolgen fast nahtlos wie in einer Metamorphose ineinander überfließen. Genießt es mit verschlossenen Augen.

https://www.youtube.com/watch?v=ChdQ3xmTh8s

Gleiches tut Phil Glass, einer der wichtigsten Mitbegründer der sog. Minimal-Music mit dem Eröffnungsstück „Opening“ (Dauer:  6:24) zu dem Album „Glassworks“ aus dem Jahr 1982.

https://www.youtube.com/watch?v=_2vRbNehGB0

 Und jetzt Augen auf beim Hören: Natürlich macht es auch Spaß, zuzusehen wie eine Musik gemacht wird. Dieses Video mit den stets ideenreichen „Piano Guys“ erhielt ich unlängst als Tipp:

https://www.youtube.com/watch?v=0VqTwnAuHws&feature=youtu.be

Schließen möchte ich diese Folge mit dem Song „Smile“. Das Stück stammt von dem legendären Schauspieler der Stummfilmzeit, Komponisten und Filmproduzenten Charlie Chaplin. Die Anmerkung nach Wikipedia zu diesem Stück soll kommentarlos genügen:

Smile ist ein Song aus dem Jahre 1936 von Charlie Chaplin, den dieser für seinen Filmklassiker „Modern Times“ zunächst ohne Text komponierte. Im Film erklingt die Melodie in der Schlussszene des Filmes, als Chaplins Tramp und seine Gefährtin (Paulette Goddard) auf einer Straße mit Optimismus einer harten Zukunft entgegengehen.

Das Stück gibt es mittlerweile in unzähligen Einspielungen. Ich empfehle heute für Ohr und Auge diese der amerikanischen Jazzsängerin Madeleine Peyroux:

https://www.youtube.com/watch?v=CEmuEOXnXH0

Und wer er noch mag: hier das Original in der Stummfilmfassung

https://www.youtube.com/watch?v=Ps6ck1ejoAw

 

Viel Freude beim Hören -  bis zur nächsten Folge

Stefan Reitz